Irritation – neue Steinewerfer gesucht
„Was macht eigentlich ein Berater?“ Auf die Frage seines Sohnes hin, geht der Vater auf einen großen Baum zu und wirft einen Stein in die Krone. Eine Schar Krähen fliegt auf und der Vater sagt: „Das macht ein Berater.“ Langsam suchen sich die Krähen im Baum wieder einen guten Ort.
Veränderung macht man nicht, sondern ermöglicht sie. Jemand, der etwas ändern will, bringt es in Bewegung und sagt dann allenfalls noch, welcher Ast morsch aussieht. Wo sich die Krähen hinsetzen, hat er nicht in der Hand.[i]
Links – rechts Irritation
Die Rolle des Aufwirbelns, des Irritierens, des Steine in die Krone Werfens war über Jahrzehnte mit linken und liberalen Gesinnungen verbunden. Mit unseren Demos, Aktionen und Kritiken brachten wir die Gesellschaft oft in Wallungen und ermöglichten so zahlreiche Veränderungen.
Dies ist lange her. Heute kommt der Stein des Anstoßes aus der rechten Ecke: Pegida, AFD, Identitäre usw. gelingt es heute anschlussfähig zu nerven. Sie sind die Schrittmacher der Veränderung.
Die Linken hüllen sich weiterhin in den Mantel des Fortschritts, stellen sich aber sehr konservativ vor die Institutionen, die sie früher als „System“ bekämpft haben. Auf einmal ist von einer „freiheitlichen“ Gesellschaft die Rede, die von liberalen Menschen aus Kultur, Politik und Wissenschaft beschützt wird.
Mutlose Stabilisierung
Ihnen sind der Mut, die Ideen und die Kraft abhandengekommen zu irritieren. Stattdessen suchen sie wie die Rechten nach Identität. Die einen nennen es „Abendland“, die anderen „aufgeklärte Moderne“. Und soo weit liegen diese Begriffe auch nicht auseinander. Es sind keine Kämpfe der Veränderung, sondern der Stabilisierung.
Der Philosoph Herman Schmitz beklagt, dass es in dieser Auseinandersetzung keine neuen Ideen gäbe: „Heute rufen sie alle nur, was sie schon vor 200 Jahren gerufen haben.“[ii] Gleichzeitig zeigt sich, dass es gerade genau darum geht: Wie halten wir es mit dem Religiösen, mit der Vorstellung Subjekt-Objekt (bzw. dem „Postfaktischen“), mit der Gestaltung, dem Fortschritt usw., also mit dem, was wir als unsere „Aufklärung“ feiern.
Irritation des Unwillkürlichen
Für mich ist spannend, dass sowohl Hermann Schmitz als auch Wilhelm Reich demgegenüber die Wichtigkeit des Unwillkürlichen betonen, also das, was gleichermaßen nach linken und rechten Ansichten zurückgedrängt werden sollte.
Im Unwillkürlichen liegt eine Irritation, die tatsächlich eine Veränderung ermöglichen würde.
Alles klar?
—————————-
[i] So sehen es zumindest systemische Berater. Diese Methapher findet sich in Falko von Anselm: Konstruktivismus. Weinheim 2004 S. 229/230. Siehe auch: Konstruktivismus in der Praxishttp://www.w.osb-i.com/sites/default/files/user_upload/Publikationen/Wimmer_Groth_Konstruktivismus_in_der_Praxis.pdf
[ii] Hermann Schmitz: Das Gespräch, in Philosophisches Magazin Nr.02/2017, S.75
ja, alles klar 🙂 gute Gedanken……..
in meinem Leben stellt sich jedenfalls immer wieder die Frage, wo ich den Mut und die Kraft hernehmen soll mich auf das Abenteuer des Unwillkürlichen einzulassen…….
Ja, das stimmt!
Danke für deinen Kommentar