Ziele sind nicht zum Erreichen da
„Ein gerader Weg führt immer nur ans Ziel.“
André Gide
Das Leben ändert sich fortlaufend und doch finden die gewünschten Veränderungen selten statt.
Was für eine Verlockung ist es da, sich Ziele zu setzen.
Das Durcheinander des Lebens kann so in lineare Strecken mit einem Anfang und einem Ende unterteilt werden.
Das Leben wird zu einer Abfolge von Projekten. Und Projekte kann man managen.
Die schwer greifbare Bewegung des Lebens bekommt eine von uns gesetzte Form.
Wir definieren ein Ziel, beschreiben die Wegstrecke, stellen die Ressourcen zur Verfügung und setzen den Plan um. Noch vor der Zielerreichung wird das nächste Ziel formuliert.
Wie bei einem Läufer ist die Orientierung klar. Das Ziel vor Augen werden die Kräfte konzentriert. Berater und Coaches stehen am Wegrand und geben Tipps, noch effizienter zu laufen.
Dies ist ein klarer Weg. Aber es ist auch eine sehr erschöpfende Weise, sich durchs Leben zu bewegen.
Also, erst einmal Pause …
Ziele können eine sehr sinnvolle Orientierungshilfe sein.
Aber nur selten geht es darum, sie auch zu erreichen!
Dem Sicherheit spendenden Strukturelement „Ziele“ muss der bewegende Mut an die Seite gestellt werden. Mut, den vorgedachten Weg zu verlassen, die Ziele zu relativieren, das Lenken abzugeben, sich hinzugeben.
Ansonsten verkommt die Zielorientierung zur Planwirtschaft.
Nicht die Zielerreichung ist das wichtigste Qualitätsmerkmal eines Projektes, sondern der Veränderungsprozess selbst. Veränderung ist der Ausdruck der Reibung der mutigen Bewegung an den Strukturelementen wie z.B. dem Ziel.
Veränderung gestalten
Das Leben ändert sich fortlaufend – und zwar in den eigenen Strukturen.
Wer Veränderungen gestalten will,
- benötigt ein Gespür für die Struktur und Bewegung des Lebens,
- benötigt ein Gespür dafür, wie strukturierende und bewegende Elemente gestärkt werden können, um einen lebendigen Ausdruck zu ermöglichen.
Wer solche Prozesse begleiten will, muss einen Rahmen anbieten, dieses Gespür zu stärken.
———————
Quellen:
- Die Geschichte von der grünen Meeresschildkröte ist ein Ausschnitt aus dem Buch: John Strelecky: Das Cafe am Rande der Welt. Eine Erzählung über den Sinn des Lebens. München (dtv). 2011. S. 52-56 (Hörbuchausgabe)
- Das Werbeplakat wurde der Seite mcfit.com entnommen
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Lieber Ingo
Sehr schön geschrieben, einleuchtend, interessant! – Wie immer kann ich Dir trotzdem nicht ganz folgen 🙂 Die Stelle „es ist doch eine sehr erschöpfende Weise, sich durchs Leben zu bewegen..“ – ist es das? Ich bin, wie Du sicher weißt, kein sehr planungsvoller Mensch. Aber ich habe festgestellt, dass es leicht ist, einen vorgesteckten Weg zu gehen, eben weil man etwas wie ein Geländer hat. Ich denke noch…
Ela
Hallo Ela,
Ich habe mich sehr über deinen Besuch und Kommentar gefreut!!
Ich glaube, dass wir uns einig sind, dass wir Orientierung (Struktur) brauchen. Die Frage ist, welche Art von Orientierung wie funktioniert.
Eine Möglichkeit ist es, sich ein Ziel zu setzen, einen möglichst eindeutigen Plan zu machen und diesen dann umzusetzen.
Es stimmt, so ein Geländer kann den Weg leicht machen. Die klaren Strukturen (Anfang, Ende, vorgegebene Schritte usw.) geben Sicherheit und beruhigen. Ich mag es auch, Arbeiten zu erledigen, wo die Schritte vorgegeben sind, ich sie einfach abarbeiten muss. Am Ende des Weges (Ziel) stellt sich dann manchmal eine Freude oder evtl. sogar Stolz über das Geleistete ein. Und das ist gut so.
Aber da gehört noch etwas anderes dazu: Nach dem Ziel ist da erst einmal nichts mehr – außer Leere. Das Projekt ist zu Ende. Außerdem ist eine Planumsetzung bzw. –erfüllung keine Bedürfnisbefriedigung: Freude, Stolz: ja – Befriedigung: nein.
Wenn so Projekte gut im Leben integriert sind ist das ja kein Problem. Wir gönnen uns so einfach ab und zu eine leichte Wegstrecke.
Aber ich glaube, dass es eine starke Tendenz gibt, sich immer stärker an dem Ruhe und Sicherheit gebenden Geländer zu orientieren. So wird unsere Wirtschaft, unser Leben und Fühlen immer stärker durch diese Projektstruktur rhythmisiert.
Dabei verliert Befriedigung bzw. Entspannung immer mehr an Bedeutung. Stattdessen versuchen wir die Leere möglichst schnell zu überbrücken. Es entstehen die allseits zu sehende Hektik und eben die Erschöpfung.
In der DDR gab es viele Ziele, Pläne und klare Strukturen – im Großen, wie im Kleinen. Sie haben viele „Geländer“ aufgestellt. Am Ende war das System ausgelaugt, hohl und erschöpft.
Ja, ich finde, dass diese Art der Orientierung auslaugt und erschöpft.
liebe Grüße
Ingo
Ziele sind nicht zum Erreichen da? Ja, wofür denn dann? Welche Orientierung kann ein Ziel geben, wenn es egal ist, ob ich es erreiche oder nicht?
Als Kind habe ich mit meinen Eltern jeden Sommer mit Wandern in den Alpen verbracht. Es war oft anstrengend. Die Sonne brannte vom Himmel, kein Schatten weit und breit, die Beine taten weh und ich beneidete meine Freundinnen, die am Strand faulenzen durften. Aber – ich erinnere mich sehr genau an das erhebende Gefühl, als ich als Zehnjährige auf dem Gipfel des Großen Donnerkogel in Kärnten stand: Ich hatte meinen ersten Zweitausender bestiegen! Und zwar aus eigener Kraft, ohne Seilbahn, ohne fremde Hilfe. Ich war ungeheuer stolz und – im Gegensatz zum Autor dieses Blogs behaupte ich – ich hatte ein tiefes Gefühl von Befriedigung!
Ich denke, um genau dieses erhebende Gefühl ging es den Verantwortlichen der Evangelischen Gesamtschule in Berlin als sie das Unterrichtsfach „Herausforderung“ auf den Stundenplan setzten. Die Jugendlichen bekommen dort ab der 8.Klasse einmal im Jahr die Aufgabe, mit 150.-€ ausgestattet Berlin zu verlassen und sich 3 Wochen mit diesem Budget durchzuschlagen, ohne Hilfe von Eltern oder Lehrkräften. Welche Chance liegt darin, sich dieser Herausforderung zu stellen und es aus eigener Kraft zu schaffen! Und wo bliebe die Herausforderung, wenn man den Jugendlichen mit auf den Weg geben würde „Ziele sind nicht zum Erreichen da“? Wäre ich mit dieser Haltung an die Besteigung meines Zweitausendes gegangen, wäre ich ziemlich sicher nie oben angekommen!
Sich Ziele zu setzen ist meines Erachtens weder der „einfache Weg“, noch geht es darum sich ohne Sinn erschöpfend durchs Leben zu bewegen, zur „Planwirtschaft zu verkommen“. Sich Ziele zu setzen ist dagegen Ausdruck einer Haltung, die das Leben als Gestaltungsraum begreift, in den man sich aktiv einbringen kann. Ziele ermöglichen uns Grenzerfahrungen, an denen wir wachsen und manchmal über uns hinaus wachsen können. Dazu gehört sowohl die Erfahrung des Scheiterns als auch die (äußerst befriedigende) Erfahrung von „Selbstwirksamkeit“.
Niemand zwingt uns, atemlos von einem Projekt zum nächsten zu hetzen und die Phasen der Entspannung, Regeneration und das Genießen des Erreichten zu vernachlässigen. Im Dragon Dreaming z.B. stehen die Projektphasen Vision, Planung, Umsetzung und „Feiern“ gleichberechtigt nebeneinander.
Sich der Herausforderung von gesetzen Zielen zu stellen ist auch kein Gegensatz zur „Hingabe an die Bewegung des Lebens“ wie meines Erachtens die Geschichte von der Schildkröte eindrucksvoll zeigt: Die Erzählerin möchte mit der Schildkröte mithalten, um sie beobachten zu können. (=Ziel) Sie lernt von der Schildkröte, dass sie dieses Ziel wesentlich leichter erreicht, wenn sie sich der Bewegung der Wellen (=des Lebens) hingibt, und dass sie weniger effektiv ist, wenn sie sich dagegen abstrampelt. Es geht aber in dieser Geschichte in keinster Weise darum, die eigenen Ziele zu relativieren, um sich entspannt auf den Wellen treiben zu lassen.
Gegen Anstrengung für ein lohnendes Projekt spricht nichts, gegen Verbissenheit und verkrampftes Herangehen aber schon.
Wenn „die gewünschten Veränderungen selten stattfinden“, dann kann man sich natürlich als Konsequenz von seinen Wünschen und Zielen verabschieden. Sinnvoller wäre es aber vielleicht, tatsächlich ein Gespür zu entwickeln – für das was veränderbar ist oder auch nicht, dafür wann sich Anstrengung lohnt und wann nicht, dafür welcher Wechsel von Anspannung und Entspannung, von Engagement und Gelassenheit, angemessen ist.
Hallo Andrea,
auch deine Antwort hat mich sehr gefreut!
In einem wesentlichen Punkt sind wir uns einig: Herausforderungen sind etwas Gutes. Mir geht es in keiner Weise um Dauerchillen auf irgendwelchen Wellen.
Auch deiner Differenzierung bei den Herausforderungen kann ich folgen.
In den zwei Beispielen (Bergbesteigung und Überlebensübung) wird den Kindern/Jugendlichen eine Aufgabe gestellt. In den Aufgaben gibt es beengende Strukturmerkmale (z.B. Zwang durch Eltern, Ressourcenknappheit). Die Ziele sind Teil der Aufgabe und von außen gesetzt. Die Reibung an diesen Strukturen ist die Herausforderung.
Diese Art der Orientierung ist eigentlich typisch für Gesellschaften mit hierarchischen Strukturen (Familie, Schule). Typisch ist hier auch, dass es neben den guten Gefühlen nach Beendigung der Aufgabe ein Lob durch die struktursetzende Instanz gibt.
Beim Aufgaben erfüllen setzt sich aber eben niemand Ziele, sondern erfüllt gesetzte Ziele. „Sich Ziele setzen“ beinhaltet eine andere Form von Herausforderung. Wer „Leben als Gestaltungsraum begreift“ setzt sich selber die Ziele. Die Personen bzw. Institutionen sind viel stärker auf sich selbst zurückgeworfen. Gestalten ist in diesem Sinne in weiten Teilen ein verinnerlichtes Aufgaben erfüllen. Die Reibung bzw. Herausforderung bekommt so einen anderen Charakter. Im Qualitätsmanagement formuliert eine Firma selbst die Ziele, an die sie sich dann selbst messen muss.
Ohne Reibung an Strukturen gibt es nur orientierungsloses Dahintreiben. Leben ohne Herausforderungen funktioniert nicht. Aber schon die obige Differenzierung zeigt, dass Herausforderung eben nicht selbstverständlich definiert ist. So wird heute wesentlich stärker erwartet, dass wir (bzw. die Institutionen) uns die Strukturen selber geben an denen wir uns reiben. Diese Strukturen müssen aber von außen beurteilt werden können. Nur so können sie in einem gesellschaftlichen Zusammenhang gestellt werden. Darum die ganzen Standardisierungen, Zertifizierungen und Evaluationen. Und in diesen ganzen Verfahren ist ein bestimmtes Verständnis von „Ziel“ dominant. Ziele müssen überprüfbar definiert sein und erreicht werden. So wird Qualität und Erfolg bestimmt.
Wenn ich sage: „Ziele sind nicht zum Erreichen da“ möchte ich diese Tendenz und die Starre der Struktur hinterfragen.
Gerade wenn Veränderungen im Vordergrund stehen, wenn Neuland beschritten werden soll, so sind Ziele durchaus sehr wichtig. Sie geben die Richtung an und sie sind ein zentraler Orientierungspunkt. Aber das Gelingen des Projektes zeigt sich gerade darin, dass ich unterwegs Veränderung erlebe, lerne und somit auch meine Orientierung ändere. In der ständigen Reibung mit dem Ziel betrete ich tatsächlich Neuland und aus dieser Perspektive relativiert sich das Ziel. Ziele sind keine starre zu erreichende Fixpunkte, sondern wie alles im Leben bewegliche Strukturelemente. Diese Spannung zwischen der Bewegung und der Struktur ist das zentrale Merkmal aller lebendigen Prozesse.
Aufgaben und Gestalten (im obigen Sinne) haben durchaus ihren Sinn, aber sie schließen an einem zentralen Punkt das Lernen aus. Sie gehen davon aus, in die Zukunft Fixpunkte setzen zu können.
Das Potential das in der beweglichen Struktur des Lebens liegt wird so nicht erschöpft. Das ist es, was mir die Schildkröte sagt. Wie allerdings eine Orientierung aussieht, die sich tatsächlich an der Struktur des Lebens orientiert, ist mir auch nicht völlig klar.
Hier würde ich gern weiter denken. Wie können z.B. Ziele von der Starre befreit werden?
Lieber Ingo, toller Artikel, danke!
Ein Gedanke dazu. Ist die Bedeutung von Zielen nicht sehr stark von meiner Lebenssituation und vom Umfeld abhängig? In einer Lebensphase der Expansion, die Menschen in jungen Jahren durchleben, sind Ziele sehr wertvoll und wollen auch erreich werden. Der Mensch ist stark von der Zukunft her beansprucht und lebt weniger in der Gegenwart. In späteren Phasen beginnt häufig ein Rückzug und aus der Expansion wird ein Ankommen im Möglichkeitsraum. Dann sind Ziele weniger hilfreich. Der Mensch konzentriert sich auf das Jetzt und lässt der Zukunft keinen so großen Raum mehr.
Im Umfeld von Organisationen sind Ziele wieder ganz anders zu verstehen. Dort dienen Ziele dem Erfolg der Organisation und der Mensch formuliert seinen Beitrag als eigenes Ziel. Hier geht es schon sehr stark um die Zielerreichung. So zumindest meine Erfahrung.
Liebe Grüße, Heinz Peter Wallner
Mir spricht der Artikel aus dem Herzen. Es macht keinen Sinn, Projektziele zu genau festlegen zu wollen, sie werden sowieso selten erreicht. Wie soll ich zu Beginn eines Projekts denn wissen, wie die Welt aussehen soll, wenn das Projekt fertig ist? So ungefähr kann ich das schon, aber niemals in allen Details. Daher gilt: je präziser Projektziele festgelegt, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass das Projekt scheitert. Oder umgekehrt: je salopper die Projektziele, desto mehr Freiheiten habe ich, sie zu erreichen und desto grösser die Erfolgswahrscheinlichkeit.
Gruss, Peter
Hallo zusammen,
ein sehr spannender und höchst aktueller Artikel. Danke dafür.
Zum Thema „Ziele“ möchte ich gerne meine Gedanken posten. Aus meiner Sicht stehen wir bei den Zielen zwei Gegensätzlichkeiten gegenüber, die es gilt miteinander zu versöhnen.
1. Sicht: Ziele sind nicht zum Erreichen da, wie der Titel es schon aussagt.
2. Sicht: Wir müssen trotzdem Ziele versuchen zu erreichen, sonst wären sie ja sinnlos.
Was meine ich damit? Ziele sollten stets Mittel zum Zweck, niemals zum Selbstzweck mutieren, was sie zu oft tun. Das möchte ich am Thema der Projekte verdeutlichen, könnte man aber auf viele andere Bereiche des Lebens ausdehnen.
In einem Unternehmen wird der Bedarf an der Generierung eines Mehrwertes in einem bestimmten Bereich nachgedacht (Launchen eines neuen Produktes, Erschließen einer neuen Verkaufsregion etc.) Dafür wird dann ein Projekt institutionalisiert. Zu diesem Zeitpunkt sind die Projektziele noch Mittel zum Zweck. Das Mittel ist das Projekt und seine definierten Ziele. Der Zweck ist der Generierung eines Mehrwertes für das Unternehmen.
Dann wird das Projekt beplant, mit Ressourcen „bestückt“ etc. Es wird über den Scope uns der einhergehenden Risiken gesprochen. In diesen Diskussionen wird dann häufig der Scope des Projektes reduziert, um Risiken zu mitigieren. Das Projekt an sich rückt immer mehr in den Mittelpunkt und der eigentliche Sinn des Projektes in den Hintergrund, bis er ganz verschwunden ist. Die Projektmitarbeiter werden nämlich an den eigentlichen Projektzielen gemessen.
Innerhalb der Durchführung des Projektes ist man dann auch noch dem Systemarchetyp der erodierenden Ziele aufgesessen. Hat man erst mal begonnen, Ziele herabzustufen, kommt aus dieser Spirale nicht mehr heraus. Man reduziert sie fortwährend.
Damit entfernt man sich mit den zu erreichen wollenden Ziele des Projektes immer von den initial gesetzten Zielen, die den Mehrwert für das Unternehmen reflektieren.
Deshalb gehe ich persönlich immer mit dem folgenden Mindset an ein Projekt oder auch an ein Vorhaben im privaten Sektor.
1. Ich setze das zu erreichende Ziel so hoch wie möglich und mache mir keine Gedanken darüber, ob ich es erreichen kann. Ich lasse mich nur vom zu erreichenden Mehrwert leiten.
2. Ich will es erreichen, unbedingt. Ich habe dabei aber stets im Blick, ob das Ziel überhaupt noch relevant ist. Im Laufe der Zeit mag es ja sein, dass das Ziel gar nicht mehr wert ist erreichen zu wollen.
3. Ich lande da, wo ich lande.
Was habe ich damit erreicht? Im Sinne der Sache auf jeden Fall mehr, als wenn ich gleich am Anfang des Vorhabens das Ziel nach Grad der Erreichbarkeit gesetzt hätte.
Details zu der Thematik aus meiner Sicht können gerne auf meinem Blog erforscht werden.
1. Projekte stehen in der Regel für Mittelmaß (http://blog-conny-dethloff.de/?p=2403)
2. Sind Ziele sinnlos? (http://blog-conny-dethloff.de/?p=652)
3. Verhaltensmuster im Projektmanagement Teil 1: Zielanpassungen (http://blog-conny-dethloff.de/?p=1137)
Beste Grüße,
Conny Dethloff
Lieber Heinz Peter
Ein interessanter Gedanke. Wenn man über ein Menschenleben den Bogen Expansion – Kontraktion legt. verändert sich sicher auch die Bedeutung der Zukunft. Dies allein schon, weil sie eben kürzer wird.
Das Bild vom Möglichkeitenraum finde ich gut. Es wirkt so unaufgeregt, entspannt. Der jugendliche Drang dominiert nicht mehr.
In diesem Sinne sind die Betriebe jung geblieben. Und vielleicht erscheint mir deshalb die Projektarbeit so erschöpfend. 😉
Liebe Grüße
Ingo
Hallo Peter.
Es freut mich sehr, dass du vorbei geschaut hast. Ich stimme dir zu, aber „saloppe Projektziele“ kommen in einem Projektantrag z.B. bei ener öffentlichen Förderung nicht gut an. Sie erscheinen eben nicht als realistisch, sondern als wenig kompetent.
Viele Grüße
Ingo
Lieber Conny
Vielen Dank für deine ausführliche Argumentation. Vor allem deine drei Punkte am Schluss finde ich sehr spannend. Dies gilt insbesondere für das „3. Ich lande da, wo ich lande.“ Das anzunehmen bei gleichzeitig hohen Zielen ist schon heftig.
Deine Unterscheidung zwischen Zweck und Ziel übesetze ich für mich forlgendermaßen: Ziele werden auf unterschiedlichen Ebenen formuliert. Dem Projektziel ist z.B. ein politisches Ziel oder ein unternehmerisches Ziel übergeordnet. Jeweils auf den Ebenen sind dies einfach Ziele. Wenn man die Beziehung der Ebenen zueinander betrachtet wird die untere Eben zum Zweck für die obere. Richtig?
Vielen Dank für deinen Besuch und viele Grüße
Ingo
Liebe KommentarschreiberInnen
Die Kommentare haben mich auf einen weiteren Gedanken gebracht: Mir ging es in dem Artikel um die Bedeutung der Zukunft und wie man sich in sie hineinbewegt. Ganz grob vier Konzepte:
Vision: Man hat ein Bild von einem Zustand, der schön ist, aber nicht da. Es ist ein Bild, das irgendwo in der Zukunft hängt.
Sehnsucht: man erlebt die Vision sehnsuchtsvoll. Man beschäftigt sich somit mit der Lücke bis zum Bild. Die schmerzliche Trennung steht im Vordergrund. Da man nie ankommt, dehnt sich die Zukunft. Hier wäre Heilung nötig.
Ziel: Zielstrebig heißt, die Zukunft vom Ende her denken. Sich von dort ziehen lassen. Der Zwischenraum wird durch eine Art Brücke gefüllt. Dies ist ein sehr instrumenteller Umgang mit der Zukunft und hat viel mit Wille zu tun. Das Neue hat man im Griff.
Wachsen: blickt nicht vom Ende her, sondern von der Gegenwart. Da zieht nichts, sondern es hebt eher. Wachsen ist ein Expandieren in das Neue und ein Integrieren der Erfahrung. Es ist ein fortlaufendes Abtasten der Zukunft.
Sterben: ein wichtiger Punkt, den ich noch nicht so verstanden habe. Es ist so eine Art Rückzug von der Zukunft.
Alle Konzepte haben ihre Zeit und Relevanz. Meine Kritik lautet:
1. Sehnsucht wird oft mit Zielorientierung verwechselt
2. Ziel ist völlig überbewertet zuungunsten des Wachsens bzw. Zielorientierung ohne Wachstum (Integration des Neuen) ist hohl
„Ziele können eine sehr sinnvolle Orientierungshilfe sein. Aber nur selten geht es darum, sie auch zu erreichen!“ – absolut treffend formuliert. Wenn ich so recht überlege, dann ist es in der Tat immer so gewesen, dass man ein Ziel anvisiert, dieses dann noch dutzende Male anpassen muss und letztendlich kommt man doch an einem anderen Punkt an. Allein die Richtung war entscheidend.
Aufpassen muss man dann natürlich, dass man diese Weisheit nicht als eine Ausrede benutzt, wenn man seine Ziele nicht erreichet. =)
Aber im Großen und Ganzen stimmt es, habe sogar letztens eine Dokumentation über Internetstartups gesehen und sehr viele der heutigen Internetgiganten wurden mit einer ganz anderen Vision gestartet.
LG
Eugen
Hallo Eugen
Eure Seite habe ich als sehr zielorientiert erlebt. Und diese Orientierung ist von viel Power getragen.
Darum freut es mich besonders, dass du dem Gedanken, dass man Ziele anvisieren sollte, aber nicht unbedingt erreichen zustimmen kannst.
Das von euch vertretene ‚Modeling‘ finde ich allerdings nicht so überzeugend. (vgl. dazu Entzauberung der Zauberformel zum Erfolg
Vielen dank für deinen Besuch und Kommentar
Ingo
Hallo, Ingo,
ein sehr schöner Artikel.
Ziele sind wichtig im Leben, ansonsten würden wir ja alle planlos umher laufen. Dazu fällt mir dann auch folgendes Zitat ein.
Kein Wind ist demjenigen günstig, der nicht weiß, wohin er segeln will.
Michel de Montaigne
Egal, ob im Privaten oder im Geschäftsumfeld müssen wir ja wissen, wohin die Reise gehen soll. So können wir uns jederzeit orientieren, ob wir denn noch auf dem richtigen Weg sind. Ich stimme dir aber auch zu, dass wir nicht jedes Ziel erreichen müssen. Oft genug wird in unserer Gesellschaft an der Erreichung von Zielen festgehalten, obgleich diese durch den Wandel oder neue Betrachtungsweisen überhaupt nicht mehr sinnvoll sind. Dabei wird dann oft auf bereits investierte Zeit und Geld hingewiesen, welche dann umsonst sind! Aber ist es umsonst und rechtfertigt es dann weitere Ausgaben von Zeit und Geld?
Sind wir an einem solchen Punkt angelangt, sollte es doch lieber daran gehen, das Ziel neu zu definieren und die Segel neu zu setzen. In so weit trifft dann auch die buddhistische Einstellung: „Der Weg ist das Ziel“ den Kern deiner Aussage.
Noch etwas zur Definition von Zielen:
Ziele müssen überlegt gesetzt werden. Sie sollten mit unseren und den aller Beteiligten Personen bestehenden Bedürfnissen in Einklang stehen. Tun Sie das nicht, dann fehlt jede Motivation, diese zu erreichen.
Sind diese aber im Einklang, dann lässt sich großartiges erreichen.
Zu deiner weiteren Überlegung:
Sterben: ein wichtiger Punkt, den ich noch nicht so verstanden habe. Es ist so eine Art Rückzug von der Zukunft.
Ich sehe den Prozess des Sterbens als Erneuerung. Wir treten aus diesem Leben, um in einem neuen Körper wieder zu erscheinen.
Wären wir unsterblich, würde wohl bald eine senile, verbohrte, und unflexible Gesellschaft entstehen?! Denn es ist doch genau der Prozess, der sich im Alter immer mehr zeigt, dass wir an dem Bekannten mehr festhalten und uns vor Veränderungen ängstigen.
Genau diesen Fragen gehe ich auch in meinem Blog nach.
http://blog.finde-dich-selbst.net/leben-heute/wieso-bist-du-hier/
LG
Frank
Hallo Frank,
vielen Dank für deine ausführliche Antwort!
Da sind viele spannende Aspekte für mich drin („Art Rückzug von der Zukunft …).
Noch ein Hinweis zu den Zielen. Mir geht es um Orientierung. Und zwar um eine Orientierung, die auch die Zukunft mit einbezieht. Zielorietierung ist da eine Möglichkeit. Du hast Recht: ohne Ziel sind wir planlos.
Seltsam ist doch bloß, dass planlos sich fast schon anhört wie orientierungslos. Dabei ist die Zielorientierung doch nur eine unter vielen Möglichkeiten der Orientierungen. Sie wird sehr überschätzt und wir beschneiden uns somit in unseren Möglichkeiten.
Alles Gute und viel Glück mit deinem Blog
Ingo
Hallo,
ein interessanter Block mit schönen Themen!
Jetzt möchte ich zu diesem Artikel doch auch mal etwas schreiben:
Gerade in der Schule wird man von klein auf darauf „getrimmt“, bestimmte Ziele zu erreichen, ein gutes Zeugnis zu bekommen, die nächste Klassenarbeit noch besser zu schreiben bzw. seinen Notendurchschnitt zu halten etc.
Und im Studium oder was man eben nach der Schule macht, geht das Ganze dann weiter, Semester für Semester „schein-freier“ zu werden, die Abschlussprüfung zu bestehen.
Vor allem in jungen Jahren lebt man doch sehr zielorientiert.
Aber meiner Meinung nach muss das irgendwann mal aufhören.
Ich möchte irgendwann auch einfach mal ankommen, ohne noch weiter / höher gelangen zu müssen.
Wer mit seinem Leben zufrieden ist, so wie es ist, wer wirklich glücklich ist, der braucht keine Ziele mehr.
Glücklich ist glücklich, glücklicher gibt es nicht / geht nicht, entweder man ist glücklich oder nicht.
Aber ich glaube, dass diese Höher-/Weiter-/Schneller-Mentalität leider so in den Menschen drinsteckt, dass viele Leute „Stillstand“ generell nicht genießen bzw. ertragen können, selbst wenn dieser „Stillstand“ im Grunde glücklich ist.
Ich finde, so gesehen kann eine zu starke Zielorientierung in nur eine Richtung sogar gefährlich sein.
Wenn man nur damit beschäftigt ist, auf bestimmte Ziele hinzuarbeiten, kann es passieren, dass man schnell den Blick für die kleinen alltäglichen schönen Dinge im Leben verliert.
Und wenn man seine Ziele dann tatsächlich nicht erreicht, erscheint die Zeit umsonst gewesen zu sein, die man auf dem Weg zum Ziel gebraucht hat.
Wenn man auf dem Weg zu dem Ziel, das man letztlich nicht erreicht hat, sich dann wirklich nur auf das Ziel konzentriert hat und alle anderen Dinge im Leben zurückgestellt hat, stimmt das dann ja im Grunde tatsächlich gewissermaßen.
Ich befinde mich gerade in einer Situation, in der ich viel darüber nachdenke.
In ein paar Wochen bekomme ich meine Examensergebnisse und sitze jetzt also gewissermaßen auf Warteposition.
Sicher, ob ich auf jeden Fall bestanden habe, bin ich mir nicht, dazu ist die Durchfallquote allein viel zu hoch.
Ich habe ein Fach studiert, das mir solide und sicher erschien. Ich mag es auch und es macht auch Spaß, aber meine wirklichen Interessen, meine wirkliche „Berufung“ liegt jedoch in einem ganz anderen Bereich.
Man stellt sich sämtliche Szenarien vor, versucht sich vorzustellen, was wäre, wenn man wirklich durchfallen würde.
Und dann kommt ganz schnell die Frage, ob das ganze Studium, die ganzen Jahre in der Universitätsstadt, umsonst waren, was der Sinn des Ganzen war, ob die Entscheidung für das „solide“ Studium einfach die falsche war.
Dann gelange ich aber ganz schnell zu dem Ergebnis, dass ich nicht sagen kann, dass das alles umsonst war. Wie kann man sagen, dass die letzten Jahre seines Lebens umsonst waren? Da bekomme ich doch einen argen Schreck.
Was das Ziel, das Studium gut zu bestehen, betrifft, war vielleicht – ich weiß die Ergebnisse ja noch nicht – Einiges umsonst.
Aber da ich eben nicht nur stur auf dieses Ziel hingearbeitet habe, obwohl es die letzten Jahren schon vordergründig bestimmt hat, sondern mich sehr an den kleinen schönen Dingen im Leben erfreuen kann, kann ich sagen, dass ich in meinem Leben bisher sehr glücklich war/bin und sich die letzten Jahre allein deshalb sehr gelohnt haben.
Vielmehr noch, ich habe gelernt, mehr auf mich selbst / meine innere Stimme zu hören.
Es ist fast die Ironie des Schicksals. Wenn ich tatsächlich durchfallen würde, würde ich zu mir selbst sagen: Siehst du, du wusstest doch eigentlich immer, dass du in anderen Dingen einfach talentierter bist.
Von daher hätte sich gewissermaßen schwarz auf weiß nur das bestätigt, was ich die ganze Zeit sowieso schon wusste.
Und das wiederum lehrt mich, zukünftig mehr Mut zu haben, dazu zu stehen, was man sich wirklich wünscht, was man wirklich empfindet.
Und dazu war rückblickend betrachtet die ganze Studienzeit gut, denn wenn man fernab der Heimat allein in seiner kleinen Wohnung sitzt, hat man viel Zeit nachzudenken.
Eigentlich habe ich nur ein einziges großes Ziel: glücklich zu bleiben.
Und in welcher Gestalt, auf welchem Wege das sein wird, das zeigt sich mit der Zeit.
Klar habe ich auch Wünsche, wie ich mir mein Leben konkret vorstelle. So gesehen, könnte man diese Wünsche wieder Ziele nennen. Allerdings hängt es bei vielen Wünschen ja nicht nur von einem selbst ab, ob sich diese tatsächlich realisieren. Deshalb würde ich nicht wirklich von Zielen sprechen wollen.
Ich finde, wichtig ist, sich auf seinem Weg des Glücklichseins bzw. auf seinem Weg zum Glücklichsein nicht allzu sehr von der Gesellschaft beeinflussen zu lassen.
Denn die Gesellschaft urteilt doch recht schnell, „bewertet“ einen Menschen oft noch mehr danach „wer“ man ist, anstatt „wie“ man ist.
Als ob sie dem einzelnen Menschen das Glück nicht gönnen wollte.
Heiratet z. B. eine Studienrätin einen Briefträger, wird gemeckert, hat ein Paar 25 Jahre Altersunterschied, wird gemeckert, hat ein Mensch sehr hohe Wünsche/Ziele, wird er als Träumer abgestempelt, ist ein Mensch einfach in seinem Ist-Zustand glücklich und möchte nicht „mehr“ erreichen, wird er als faul abgetan etc.
Da fragt man sich manchmal doch, ob sich die Leute ihre Ziele nicht oft nach den Vorstellungen der Gesellschaft setzen.
Das eigentliche Ziel dabei ist dann nicht das eigene Glück, sondern das Bloß-nicht-Auffallen, Bloß-nicht-aus-der-Norm-Geraten.
Wenn alle anderen nicht über einen reden können, passt man in die Norm, man wird akzeptiert und fühlt sich vermeintlich gut.
Allerdings glaube ich nicht, dass so etwas glücklich machen kann. Man hat es vielleicht einfacher in der Gesellschaft, weil man nirgendwo aneckt, aber mit Glück hat das meiner Meinung nach rein gar nichts zu tun, im Gegenteil, ich finde diese ganzen Vorurteile furchtbar und verstehe wirklich nicht, weshalb sich einige Leute immer negativ über andere äußern müssen. Wahrscheinlich, weil sie einfach selbst nicht zufrieden sind.
Womöglich werden die Ziele in der Gesellschaft wirklich überbewertet.
Also rennen viele Menschen an den schönen Dingen im Leben so gut wie blind vorbei, weil sie sich auf der Autobahn in Richtung „ihres“ Ziels bewegen „müssen“.
Auch so ein Beispiel, das irgendwie dazu passt: Ich fahre oft mit dem Bus. Mir fällt jedes Mal auf, dass die meisten Fahrgäste dem Busfahrer nur stumm ihre Fahrkarte vorzeigen, manche sehen den Fahrer auch gar nicht erst an, sondern schauen gleich nach links, wo denn wohl ein Platz frei ist. Als würde dort hinterm Steuer ein Automat sitzen. Das „Ziel“ „Ich angel mir einen freien Sitzplatz!“ steht so im Vordergrund, dass nicht mal der Fahrer gegrüßt wird. Gut, vielleicht sind manche Leute auch einfach stieselig oder kommen gar nicht auf die Idee, den Fahrer zu grüßen, weil das ja sonst auch kaum einer macht. Ich begrüße die Fahrer immer, wenn ich mein Ticket vorzeige und freue mich richtig, wenn man manche „Stammfahrer“ hat, die einen schon vom Sehen her wiedererkennen und dann schon von selbst sehr nett grüßen. Das sind doch die schönen kleinen Dinge im Leben, die einfach fröhlich stimmen.
Ich gebe zu, der Text hier ist ziemlich lang geworden, aber ich habe schon immer gern und viel geschrieben. 🙂
Übrigens witzig, wenn ich sie jetzt nicht ganz verwechsel, dann sind wir uns Anfang des Jahres am Bahnhof Gö begegnet und in letzter Zeit manchmal an/in der Nähe der Uni mittags über den Weg gelaufen.
Auf jeden Fall einen lieben Gruß und weiterhin viel Freude mit ihrem Blog,
Ann
Ja, ein langer Text mit vielen interessanten Punkten drin.
Vielen Dank!
Schade, aber ich glaube, Sie verwechseln mich, aber ich weiß ja auch nicht wie Sie aussehen
Liebe Grüße
Ingo