,

Durchscheinender Busen

Resonanz Porno Unverfügbarkeit Unwillkürlichkeit
Resonanz Sexualität Rosa Wilhelm Reich

Ein alltägliches Bild: Eine Frau geht durch die Fußgängerzone und ihr Busen zeichnet sich durch das T-Shirt ab. Dieter Duhm beschreibt in einem alten Text, wie dies eine tiefe Berührung hervorrufen kann.[i]
Ja, ich kenne auch diese Begegnungen: In mir kann dann etwas Intensives in Bewegung kommen, das eine Spur hinterlässt, die ich nur schwer fassen kann. So als ob ich mich an etwas Wichtiges erinnere. Die Erfahrung tut gut und ich hätte gern mehr davon.

Resonanz

Ähnlich ist es, wenn ich beim lesen von einem Gedanken berührt werde und in mir darf sich etwas zeigen, das sonst kaum Chancen hat. Ich weiß dann, dass ich dem vorsichtig zuhören sollte, dass es mich tatsächlich erreichen kann. Oder wenn ich tanze und ich die Musik in mir spüre und sie mich – im wörtlichen Sinne – bewegt. Oder wenn ich beim spazieren gehen, den leichten Wind plötzlich als Begegnung wahrnehme.

Hartmut Rosa nennt all dies Resonanzerfahrungen. Sie sind Kennzeichen eines guten Lebens. Leider haben sie in unserer Zeit immer weniger Chancen. Und tragischerweise hängt das damit zusammen, dass wir uns nach ihnen sehnen.

Unverfügbare Resonanz

Wenn ich berührt werden möchte, wähle ich entsprechende Musik aus meiner Playlist aus, setze mich ins Auto und fahre an einen idyllischen Platz, kontakte per Zoom Menschen, die mir wichtig sind, hole einen guten Wein aus den Keller oder plane einen exotischen Urlaub. Ich habe immer mehr Möglichkeiten. Aber gerade weil ich mir die Resonanz verfügbar machen möchte, entzieht sie sich, sagt Rosa.
Resonanz ist unverfügbar.

Unwillkürliches Leben

Wilhelm Reich fragt aus einer etwas anderen Perspektive: In wie weit kann ich in der Resonanz überhaupt mitschwingen? In wie weit bin ich berührbar? Inwieweit kann ich mich meiner Lebendigkeit hingeben und inwieweit vertraue ich meinem unwillkürlichen Ausdruck?

Resonanzerfahrungen sind „unverfügbar“ und widersetzen sich so den Versprechen der Konsumgesellschaft.[ii] Sie setzen das Vertrauen in die „Unwillkürlichkeit“[iii] voraus und entziehen sich so dem Verlangen, sie „machen“ zu können.

Sehnsucht

Sehnsucht Wilhelm Reich Resonanz

Sex kann ein sehr intensives Resonanzerleben sein. Aber nur, wenn ich die Unverfügbarkeit akzeptiere und die Unwillkürlichkeit zulasse.

Ein Versuch, die wohltuende Begegnung mit dem fremden Busen zu wiederholen, kann es sein, sich Pornos anzuschauen: sich einfach die Brust, die ganze Frau und den Sex verfügbar machen. Die Sehnsucht nach Resonanz und Kontakt ist die Grundlage des massenhaften Konsums dieser Filme. Und gleichzeitig zeigt sich, dass es hier eben nicht um Resonanz, sondern um die Sehnsucht nach ihr geht. Pornos richten sich nach dem Drehbuch der Sehnsucht und nicht der Befriedigung.

Die verfügbar gemachte sexuelle Darstellung mit all ihrer Intensität findet direkt vor den Augen statt. Und doch ist sie durch eine Scheibe unerreichbar vom Betrachtenden getrennt. Besser kann man die Tragik dieser resonanzlosen Sehnsucht nicht auf den Punkt bringen.

Es ist ein wichtiger Unterschied, ob ich mich auf eine Resonanzerfahrung mit all den Ungewissheiten einlasse oder mich im Ritual meiner Sehnsucht im Kreis drehe.


[i] Ich habe den Text von Dieter Duhm vor ca. 30 Jahren gelesen und sofort verstanden. Leider weiß ich nicht mehr, wo er dies Erlebnis als Teil seiner Gesellschaftskritik beschreibt. Wenn es jemand weiß, bitte ich um eine kurze Nachricht. Mir ist auch kein Bild eingefallen, das diesem Erleben gerecht würde und habe darum darauf verzichtet. Das Bild mit der Frau bezieht sich auf die Situation beim Porno schauen.

[ii] Hartmut Rosa stellt seine Resonanztheorie in sehr vielen Videos (z.B. in Youtube) dar. Er hat aber auch ein sehr schönes und umfangreiches Buch zu diesem Thema geschrieben: Resonanz. Viel kompakter und mit einem Schwerpunkt auf die Unverfügbarkeit der Resonanz ist das Buch Unverfügbarkeit.

[iii] Die unwillkürlichen Bewegungen des Organismus sind für Wilhelm Reich wesentliches Merkmal von Lebewesen. Gleichzeitig sind es aber auch sie, die uns z.B. im Orgasmus Angst machen können. Alle Versuche diese Bewegungen zu gestalten, verhindern so den lebendigen Ausdruck und die Befriedigung: Die Entdeckung des Orgons. Die Funktion des Orgasmus

Die Zeichnung „Sehnsucht“ stammt von William Steig und findet sich im Buch „Rede an den kleinen Mann“ von Wilhelm Reich.

Verpassen Sie keinen Blogartikel.
Abbonieren sie einfach den Newsletter

0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert