Geld ist spirituell

Geld ist spirituell

Die Vorstellung, durch den Kauf von Gegenständen und das Anhäufen von Geld Bedürfnisse zu befriedigen, ist doch irgendwie merkwürdig.

Dahinter verbirgt sich eine tiefere – spirituelle – Dimension. Ein kurzer Blick in unsere Geschichte zeigt: Geld und Spiritualität sind enger miteinander verbunden, als man vermuten würde.

Ein merkwürdiges Konsumverhalten

Wir alle kennen es: Die Freude am Kaufen, das Öffnen eines Pakets mit einem neuen Gegenstand – und dann? Oft landen die neuen Dinge ungenutzt im Keller, wo sie neben anderen vergessenen Kisten stehen. Sich etwas kaufen können scheint wichtig. Gleichzeitig ist es in unserer Kultur verpönt, mit Reichtum zu prahlen. Warum also konsumieren wir? Die Antwort liegt nicht allein in ökonomischen oder psychologischen Erklärungen – sie hat auch eine spirituelle Komponente.

Die katholische Perspektive: Askese als Weg zur Erlösung

Für mich als Katholik ist mir eine gute Bilanz meiner Taten am Ende des Lebens wichtig. Gute Taten führen ins Himmelreich, schlechte können durch die Beichte gelöscht werden. Geld und Besitz werden weltlich genossen und für das Seelenheil bereut. Wer auf Nummer sicher gehen möchte, wählt den Weg der Askese: Verzicht auf Freiheit, Sex und eben materielle Güter.

Mit Gott kann man nicht über das Himmelreich verhandeln, meinten demgegenüber Luther & Co.

Die protestantische Ethik: Gottes Gnade im Diesseits

Die Reformatoren wollten mit der katholischen Doppelmoral aufräumen: Allein die Gnade Gottes entscheide über den Zutritt ins Himmelreich.

Doch dies führte zu einer existenziellen Frage: Woher weiß ich, ob ich Gottes Gnade habe?

Die Lösung war ebenso raffiniert wie folgenreich: Der wirtschaftliche Erfolg im Diesseits wurde zum sichtbaren Zeichen göttlicher Gnade. Wer fleißig arbeitet und Wohlstand erlangt lebt ein gottgefälliges Leben.

Diese Denkweise hatte weitreichende Konsequenzen für die westliche Kultur. Konsum wurde möglich – allerdings ohne Genuss. Arbeit wurde zur Berufung Gottes, Reichtum zum Indikator eines begnadeten Lebens. Doch dieser Reichtum war nicht zum Ausgeben da; er diente vielmehr der Selbstvergewisserung.

Max Weber und der Geist des Kapitalismus

Der Soziologe Max Weber hat diese Verbindung zwischen protestantischer Ethik und wirtschaftlichem Erfolg in seinem berühmten Werk ‚Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus‚ analysiert. Er beschreibt einen Lebensstil, der bis heute unser kulturelles Selbstverständnis prägt: Reich sein ohne Genuss, fleißig arbeiten und sich dabei als etwas Besonderes fühlen. Diese Haltung unterscheidet uns von den katholischen Südländern Europas, die oft als lebendiger wahrgenommen werden – aber vielleicht auch als weniger ernsthaft im Umgang mit Geld.

Spiritualität des Geldes ohne Glauben

Interessanterweise funktioniert diese Verbindung zwischen wirtschaftlicher Potenz und Selbstwertgefühl mittlerweile auch ohne religiösen Glauben an das ewige Leben. Das stille Betrachten von Aktiengewinnen oder das Streben nach finanzieller Sicherheit sind zu einer modernen Form der Selbstvergewisserung geworden – einer spirituellen Praxis im säkularen Gewand.

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