Leben-Philosophie
Vitalität wird immer stärker als wissenschaftliches Gütekriterium genutzt. Das Leben als eine wissenschaftliche Kategorie wird somit wieder wichtig.
Meine Recherchen zu diesen Aspekt zeigten v.a., dass
- oft versucht wird, eine strikt materialistische Definition anzubieten. Diese wird dann allerdings häufig durch Begriffe wie „Lebenskraft“ ergänzt (vgl. Vitalität).
- oft auf eine theoretische Fundierung verzichtet wird. Diese Studien begnügen sich damit, Merkmale einer besonderen Fitness, einer Fähigkeit unter widrigen Bedingungen zu überleben, zu operationalisieren (vgl. Vitalität – Nachtrag).
Beides scheint mir nicht tragfähig. Leben als Kategorie scheint wichtig, gleichzeitig scheint der Begriff nur schlecht bestimmt.
Leben-Philosophie – eine Kartierung des Begriffs Leben
Die Philosophin Petra Gehring[1] hielt im Wintersemester 09/10 eine Vorlesung zum Thema „Leben – Geschichte und Metaphysik eines schillernden Begriffs“. In 13 Veranstaltungen beleuchtet sie unterschiedliche Perspektiven von der Entstehung der Biologie über den Zusammenhang zwischen Leben und Tod bis hin zur Lebensphilosophie.
Grob zusammengefasst geht es um die Frage: Was wird im wissenschaftlichen Diskurs unter Leben verstanden?
Dankenswerterweise stehen die Vorlesungen zum Download bereit.[2] Eine gute Gelegenheit sich einen Kaffee einzuschenken, die Beine hochzulegen, sich einen Block und Stift drauf zu legen, aus dem Fenster zu schauen und sich fortzubilden.
Es folgen ein paar Eindrücke.
Zur Einleitung – erste Vorlesung
PhilosophenInnen trauen sich an komplexe Themen bzw. wenn sie auf scheinbar selbstverständlichen Begriff wie das Leben schauen wird es kompliziert.
Einen großen Teil der Einführungsvorlesung nutzt Petra Gering dazu, die Selbstverständlichkeit zu relativieren. Sie geht auf Distanz, versetzt die Vorannahmen in „die Schwebe“ und betont das Gewordensein des Begriffs.
Zwei Aspekte sind mir wichtig:
- Es gibt schon sehr lange Vorstellungen von leben als Verb oder als ein Verlauf, auch der Tod wird häufig beschrieben. Aber der Begriff Leben als eine Einheit ist mit 200 Jahren sehr jung. Zwischen den Wissenschaftsdisziplinen, aber auch innerhalb derselben gibt es sehr unterschiedliche Definitionen. Außerdem verändern sie sich laufend.
- Auch in den so genannten exakten Wissenschaften ist der Begriff „schillernd“. Widersprüche und Inkonsistenzen sind häufig anzutreffen. Eindeutige Aussagen z.B. durch die Vitalisten werden von metaphysischen Annahmen getragen.
Die „Kartierungsarbeit“ des Begriffs findet in dem Spannungsfeld der Offenlegung der Widersprüche und der Vermeidung der metaphysischen Annahmen statt.
Eine vielversprechende Perspektive. Ich freue mich auf die nächste Vorlesung: „Die Entstehung der Lebenswissenschaft Biologie“
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[2] TU-Darmstadt-Openlearnware. Petra Gering: Leben – Geschichte und Metaphysik eines schillernden Begriffs. Vorlesung Wintersemester 2009/2010
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