Leben im Totenreich

Fortsetzung von: Sterbende Gesellschaft

Jedes Lebewesen hat eine Umwelt, die zu ihm gehört. Ein Regenwurm bewegt sich in einer anderen Umwelt, einer anderen Zeit und Raum als ein Elefant. Und auch der Mensch lebt in einer Welt, die ihm entspricht.

Diese Umwelttheorie brachte der Biologe von Uexküll vor gut 100 Jahren ein.1

Totenreich

Seitdem hat sich unsere Umwelt radikal verändert. Zu v. Uexkülls Zeiten waren die menschengemachten toten Gegenstände wie zum Beispiel Maschinen etwa so schwer wie 3% aller Lebewesen. Heute sind sie schwerer als alle Lebewesen! Allein unser Plastik wiegt doppelt so viel wie alle Tiere dieser Erde zusammen.2


Beim Klick auf das Bild werden Daten an Youtube übermittelt

Während damals die Interaktion mit der Umwelt primär durch lebendige Prozesse geprägt war, sind wir heute schon fast perfekt an die selbst geschaffenen toten Strukturen angepasst. Beton, Fabriken, Autos, Handys und Computer sind unsere Umwelt und erwarten einen entsprechenden Umgang. Der Aufruf zum ‚Umweltschutz‘ ist entweder zynisch oder geht einfach an unserer Realität vorbei.

Und der ‚Naturschutz‘ ist zu einem nostalgischen moralischen Statement geworden. Die Natur wird zu einem Sehnsuchtsort, den wir in seiner Nische mit immer mehr und ‚besserer‘ Technik retten sollen.

Wir zählen zwar noch zu den Lebewesen, agieren aber in unserer Umwelt längst schon wie jene Androiden, die wir noch entwickeln werden.

Leben im Totenreich ist kein Bild, keine Metapher, sondern eine Beschreibung unserer Realität.

In diesem Totenreich ist das pulsierende Leben überflüssig, es gibt kein Erstrahlen im Kontakt und auch keine Befriedigung im Toten. In dieser Welt berührt man sich nicht und geht nicht in Resonanz, sondern tauscht Information und 😍 😬 😲 aus.3 Übrig bleibt allenfalls eine unbestimmte Sehnsucht, der man bei einem Spaziergang in der ‚Natur‘ nachspüren darf.

Leben im Totenreich

Das ist natürlich alles nichts Neues. Aber was bedeutet es nun, in dieser Welt leben zu wollen?

Ich weiß es nicht. Ich habe noch keine fertige Position. Nur so viel: Moralische Aufrufe im Sinne von „Rettet das Leben!“ haben noch nie funktioniert und provozieren eher Abstinenz von Lebendigkeit.

Meinen Drang zu leben, spüre ich: manchmal als Kraft und oft als verhinderte Sehnsucht. Den darin enthaltenen Egoismus werde ich nutzen: Ich will Kontakt mit Lebewesen, Resonanz mit der Natur, Hingabe, Intensität und vor allem Befriedigung! All das bekomme ich nur als Lebewesen in einer lebendigen Umwelt.

Willst du dich weiter mit Ersatzbefriedigungen abspeisen lassen? Ich nicht!

  • Mein erster Schritt ist es, Lebendigkeit als Maßstab des Lebens zu benennen.
  • Es folgt die Erforschung, was das konkret heißt: was weitet meine Brust und was erlaubt meiner Energie zum Zentrum zu fließen, was lässt mich vertrauen und mich der Unwillkürlichkeit hingeben und so Befriedigung erfahren?
  • Und natürlich geht es auch darum, dies nach Außen in die Umwelt zu tragen.

Ein Feld von Themen, das ich gern mit Anderen beackern würde.

Mitmachen – Leben lebt

Ein Freund meinte, dass diese Themen auch für dich interessant sein können 😉 und einen Rahmen für Gespräche brauchen.

Lebendigkeit ist nicht nur das Bindeglied zwischen Menschen und Natur.
Sie ist auch der richtige Maßstab für uns Lebewesen.

Wenn du das spannend findest, nutze doch gleich die Foren auf der Seite nur für diese Themen: leben-lebt.de. Die Seite ist so neu, dass du später sagen kannst, gleich zu Beginn dieser großen Bewegung, dabei gewesen zu sein.


Quellen:

Der Ausschnitt aus dem Film powaqqatsi ist über 30 Jahre alt. Er gehört zu einer Trilogie von Godfrey Reggio, die in oft kaum auszuhaltenden Bildern und Musik von Philip Glass eine Menschheit außer Balance zeigt. Er ist noch ganz vom Rhythmus der Mechanik bestimmt. Den Sog von Bits und Bytes der Digitalisierung liegt noch in der Ferne.

  1. Vgl. Bernd Herrmann: Die Entdeckung der Umwelt. Jakob von Uexkülls Zentralbegriff organismischer Existenz und Weltwahrnehmung. Die Theorie wurde von Ansätzen der ‚Lebenswelt‘ und des ‚Konstruktivismus‘ aufgegriffen. In seinen starren Aspekten lässt sie sich aber auch gut für völkische Sichtweisen nutzen. ↩︎
  2. Die Daten stammen aus dem Artikel „Global human-made mass exceeds all living biomass“ der Zeitschrift nature. Es wird eine Studie (maschinelle Übersetzung) mit zahlreichen erschütternden Ergebnissen präsentiert. Demzufolge wird es z.B. in 15 Jahren (2040) drei mal so viel künstliches totes Material geben als lebendiges. Der Vergleich zwischen Biomasse und künstlicher toter Masse ist aber nur ein Indikator von vielen für die Leblosigkeit unserer Umwelt. ↩︎
  3. Ich habe diesen Zustand der zerfallenden Pulsation ‚Bremsung‘ genannt: die Gleichzeitigkeit von Starre und Aktionismus. Siehe Aus-einander-setung mit Gewalt (Seite 254-309) ↩︎

Verpassen Sie keinen Blogartikel.
Abbonieren sie einfach den Newsletter

0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert