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Hobbes – Geboren mit der Angst

Hobbes geboren mit der Angst

Angst – Thomas Hobbes

Seine Mutter brachte Zwillinge zur Welt: ihn und die Furcht.[1] Die Angst Opfer einer Gewalttat zu werden, begleitete Thomas Hobbes sein Leben lang.[2]

Diese Angst aller Menschen und deren „Wunsch nach Reichtum, Ehre, Herrschaft und jeder Art von Macht stimmt den Menschen zum Streit, zur Feindschaft und zum Kriege.“[3]

Hobbes geboren mit der Angst

Der Mensch ist demzufolge von Natur aus dem Menschen ein Wolf.[4]

– So als ob die Wölfe sich ständig gegenseitig nach dem Leben trachten würden. –

Selbstüberwindung

Erst wenn der Mensch mittels Vertrag auf die naturgegebene Macht verzichtet entstehe eine glückliche und friedliche Gesellschaft.[5]

Zwei nie belegte Thesen sind hier enthalten:

  • Der Mensch kann sich selbst über die eigene Natur erheben und
  • in dieser Transformation entsteht etwas, das ein friedliches Miteinander ermöglicht.

-So, als ob es ein Jenseits der Natur mit einem friedlichen Leben geben würde.-[6]

Diese Vorstellung wird bis heute tradiert.

Sigmund Freud folgte dem zwar mit schweren Herzen, aber mit heftigen Argumenten. Auch er sah die grundsätzliche „Feindseligkeit eines gegen alle und aller gegen einen.“[7] Die Überwindung dieses Zustandes durch Kultivierung ist demzufolge eine fortwährende individuelle und gesellschaftliche Aufgabe.[8]
Nur so könnten Kriege verhindert werden.[9]
– So als ob irgendwelche Naturvölker und nicht etwa die ‚Kulturnationen‘ Europas den 1. Weltkrieg führten, gegen den er sich wandte. –

Aber auch heute noch dominieren diese Koordinaten. Wenn mal wieder ein Gewaltexzess bekannt wird, wird nach der Stärkung der Zivilisation gerufen. Und Gewaltforscher wie Wilhelm Heitmeyer phantasieren über „naturvermittelte“ Kategorien[10], an denen sich angeblich die Täter orientieren.

Gewalttäter bleiben so naturnahe Barbaren, die bei der Selbstüberwindung Defizite haben.

Die desintegrierende Gesellschaft produziere Orientierungskrisen, die ein Durchbrechen des Naturzustandes ermögliche. Wie bei Hobbes steht da wieder die Angst vor dem Chaos und Gewalt des natürlichen Menschen.

Potential

Aber gerade in Zeiten von Orientierungskrisen wäre es wichtig, von den kultivierten Größenphantasien abzulassen und real vorhandene Potentiale zu nutzen.

Hobbes Angst Potential fliegen

Der Mensch hat tatsächlich Fähigkeiten entwickelt, die in der Tierwelt einzigartig sind. Aber würden die Vögel ihre spezifischen Fähigkeiten so nutzen wie wir unsere, würde nur ein stolperndes Hüpfen herauskommen.

Fliegen ist eben kein Versuch, die Natur zu überwinden, sondern sie elegant zu variieren.

Die Frage, ob wir im Naturzustand ‚gut‘ oder ‚böse‘ sind, ist uninteressant.[11] Wir sind, was wir sind.

Wichtig ist die Frage:

Wie lange wollen wir unser Menschsein noch über den Kampf gegen uns selbst definieren und so unsere Potentiale vergeuden?

——–
[1] Meine Mutter did bring forth Twins at once, both Me, and Fear.” Hobbes zitiert nach Reemtsma, Jan Phillipp: Das Implantat der Angst. In: Miller, Max/
Soeffner, Hans Georg (Hrsg.): Modernität und Barbarei, Frankfurt/M 1996, S.28-35. S.29

[2] Vgl. Münkler, Herfried: Thomas Hobbes. Frankfurt/M 1993. S.34/35: Der Philosoph, der die Furcht vor dem Tode zum Grundmotiv seiner Philosophie gemacht hat, hat sein eigenes Leben weitgehend in Übereinstimmung mit diesem von ihm herausgestellten Grundantrieb geführt.“

[3] Hobbes, Thomas: Leviathan. Stuttgart 1996. S.90/91

[4] Diese Annahme ist nicht nur unbelegt, sondern tut den Kaniden Unrecht, die zu den geselligsten und kooperativsten Tieren“ zählen, Frans de Waal: Primaten und Philosophen. München. 2011. S.21; Rommelspacher sieht hier den Versuch von Hobbes, den Menschen als noch schlimmer als die Tiere darzustellen. Vgl. Diedrich: Aus-einandersetzung-mit Gewalt. S.219

[5] „Der große Leviathan (so nennen wir den Staat) ist ein Kunstwerk oder ein künstlicher Mensch – obgleich an Umfang und Kraft weit größer als der natürliche Mensch, welcher dadurch geschützt und glücklich gemacht werden soll.“ (Hobbes: Leviathan. S.5).
Vgl. Ingo Diedrich: Aus-einander-setzung mit Gewalt. Im Kapitel 3 gibt es eine ausführliche Darstellung der hier vorliegenden Argumentation.

[6] In der naturwissenschaftlichen Perspektive von Hobbes werden so religiöse Koordinaten auf Dauer integriert. Wilhelm Reich hat den Versuch vieler Menschen, sich von den eigenen Grundlagen zu trennen ausgiebig dargestellt (vgl. Maschinen Menschen). Diese Abspaltung drückt sich demzufolge in einer Gleichzeitigkeit des Mechanischen und Mystischen aus.

[7] Sigmund Freud: Das Unbehagen in der Kultur.  1930. S.407; „Homo homini lupus; wer hat nach allen Erfahrungen des Lebens und der Geschichte den Mut, diesen Satz zu bestreiten?“ Freud (1930)  S. 400

[8] Freud weist darauf hin, dass nach Kopernikus und Darwin er mit der Psychoanalyse der Menschheit eine weitere große Kränkung zugeführt habe, gegen die sie sich wehrt. Das mag sein, aber er hat auch mit seinem Kulturmodell die Kulturmenschen erhöht und gleichzeitig den Boden entzogen.

[9] Vgl Freud, Sigmund: Warum Krieg? In: Freud, Anna/ Grubisch-Simitis, Ilse (Hrsg.): Sigmund Freud. Werkausgabe in zwei Bänden. Band 2. Frankfurt/M 1978, S.483-493

[10] Heitmeyer, Wilhelm: Rechtsextremistische Orientierungen bei Jugendlichen. Empirische Ergebnisse und Erklärungsmuster einer Untersuchung zur politischen
Sozialisation. Weinheim 1992. S.67

[11] Unter dieser Perspektive sind Rousseau und Hobbes nur zwei Seiten einer Medaille

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