, ,

Verstehende Naturwissenschaft (Wilhelm Reich)

Verstehende Naturwissenschaft Wilhelm Reich

„Geht es um die Erzeugung und Ordnung neuen Wissens, müssen naturwissenschaftliche, technische und sozialwissenschaftliche Daten, Methoden und Theorien integriert werden.“[1]

Für neues Wissen müssen alte Grenzen zugunsten neuer Einheiten aufgegeben werden. Eine einfache Regel, aber schwer umzusetzen. Spezialisten müssten ihre Sicherheit aufgeben und sich neu orientieren.

Verstehende Naturwissenschaft Wilhelm Reich

Maik Hosang beschreibt  in seinem Text „Natur-Kultur-Mensch“[2] wie schwer sich selbst Projekte damit tun, die in der sozial-ökologischen Forschung arbeiten.

Umso mehr erstaunt die Leichtigkeit, mit der Wilhelm Reich Disziplingrenzen überschritt und z.B. durch Integration somatischer und psychologischer Forschung, die Grundlage der heutigen körperorientierten Psychotherapie legte.

Zwei Gründe sollen hierzu genannt werden:

Wilhelm Reich nahm sich sehr ernst

Wilhelm Reich Verstehende NaturwissenschaftIn seiner Arbeit als Psychoanalytiker war klar, dass die eigenen Emotionen ein zentraler Beitrag im gemeinsamen Forschungsprozess mit dem Klienten sind. Die eigene Wahrnehmung wird fortlaufend reflektiert.

Diese wissenschaftliche Haltung behielt er z.B. auch bei der Erforschung der Amöben bei. Zwar ging es nicht um die Psyche, so doch um eine forschende Beziehung zwischen Lebewesen. Auch hier galt es die Wahrnehmung und mit ihnen die Emotionen zu reflektieren. Erst über die Kenntnis der eigenen Ausdrucksfähigkeit, kann der wahrgenommene Ausdruck der Amöbe interpretiert werden. Die Qualität der eigenen Struktur ist ausschlaggebend für die Kontaktfähigkeit zum Objekt und somit zur Erkenntnis.

Nicht die Eliminierung der Subjektivität zugunsten der disziplinären Ordnung, sondern die explizite Nutzung derselben ist das wissenschaftliche Credo. Forschen heißt, die eigenen Wahrnehmungen bzw. das Empfinden ernst zu nehmen und reflektiert einzusetzen. Der Forscher ist das zentrale Werkzeug des Forschungsprozesses.

Wilhelm Reich nahm den Forschungsgegenstand sehr ernst

Neben der eigenen Struktur ist die Zugangsmöglichkeit zum Forschungsobjekt zentral für die Forschungsbeziehung. Es geht darum, diesem in einem möglichst unverstellten Kontakt gerecht zu werden.

Dies wendet sich auch gegen Vereinnahmungen durch die Wissenschaftsdisziplinen. Übliche Verfahren, wie z.B. das Abtöten vor dem mikroskopieren wurden von Reich abgelehnt. Er wollte einen Zugang zum Lebewesen Amöbe haben und musste Methoden entwickeln, diese auch lebendig zu erforschen.

Diese Konzentration auf die Zugangsmöglichkeiten zum Objekt führt auch zu anderen Einteilungen der Forschung. Eine disziplinorientierte Trennung zwischen somatischen und sozialen Prozessen bzw. Natur- und Sozialwissenschaften erscheint hier fragwürdig. Beides sind lebendige Ausdrucksformen und bieten somit einen ähnlichen Zugang. Wichtiger ist die Unterscheidung zwischen Leben und Nichtleben.

Verstehende Naturwissenschaft

  • Wilhelm Reich verstand sich als Naturwissenschaftler.
  • Aber wie ein verstehender Sozialwissenschaftler suchte er den Zugang zum Gegenüber.
  • Und weit über diese hinausgehend reflektierte er die Struktur des Forschers als zentrales Werkzeug.

Diese verstehende Naturwissenschaft war sehr produktiv.

Das Wagnis, die eigene Subjektivität ernst zu nehmen und sich an den Objekten zu orientieren, führt vielleicht zu neuem Wissen, aber eben auch zur Herauslösung aus disziplinären Orientierungen. Reichs Forschungen stehen bis heute außerhalb der anerkannten Wissenschaft.

Von daher wundert es nicht, dass es so schwer ist, die Aufforderung des BMBF zur Generierung von neuem Wissen zu folgen. Verstehende Naturwissenschaft – ein zukunftweisendes Konzept im Rohbau.

————————

[1] Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF): Rahmenkonzept Sozial-ökologische Forschung. Bonn. .Juni 2000. S12. http://www.isoe.de/ftp/rahmenkonzept.pdf

[2] Maik Hosang : Natur-Kultur-Mensch. Theorieansätze in der sozial-ökologischen Forschung. Stand, Probleme und Empfehlungen http://www.homo-integralis.de/Institute/ifis/abschlussbericht.pdf

Verstehende Naturwissenschaft – Vgl. auch:

Wilhelm Reich: Äther, Gott und Teufel. (Original 1949) Frankfurt/M 1987

Wilhelm Reich: Orgonomic Functionalism. in Orgone Energy Bulletin. New York 1950 Bd.2

Ingo Diedrich: Naturnah forschen. Wilhelm reichs Methode des lebendigen Erkennens. Berlin 2000

Verpassen Sie keinen Blogartikel.
Abbonieren sie einfach den Newsletter

0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert